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Wichtige Änderung des BVFG zum 23.12.2023!

Am 23.12.2023 ist eine wichtige Änderung des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) in Kraft getreten, welche 2 Problemkreise behandelt:


I. Bekenntnis zur deutschen Volkszugehörigkeit


Bereits beim 10. BVFG-Änderungsgesetz von 2013 wollte der Gesetzgeber die Aufnahme von Spätaussiedlern erleichtern, indem das „Nur-Bekenntnis“ in der davor geltenden Fassung des § 6 Abs.2 BVFG gestrichen wurde. Es sollte somit eine Änderung des Bekenntnisses möglich sein. Ein Beispiel: Der Aufnahmebewerber war in seinem ersten Inlandspass als „Russe“ eingetragen und hat später eine Änderung dieser Nationalitäteneintragung hin zu „Deutscher“ bewirkt, weil er von deutschen Volkszugehörigen abstammt.

Eine solche Änderung wurde vom Bundesverwaltungsamt im Zuge der Anwendung des BVFG 2013 auch zunächst problemlos anerkannt. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.1.2021 (1 C 5.20) machte eine Aufnahme als Spätaussiedler in solchen Fällen sodann jedoch nahezu unmöglich, indem das BVerwG etwa Änderungen des Bekenntnisses im zeitlichen Zusammenhang mit einem Aufnahmeantrag als Scheinbekenntnis wertete und ein „glaubhaftes Abrücken“ von einem früheren „Gegenbekenntnis“ verlangte. Faktisch wurde dadurch die Rechtslage vom 1.1.1993 hergestellt, wonach in der Praxis eine Aufnahme als Spätaussiedler nahezu unmöglich war, wenn beim Erstbekenntnis mit 16 Jahren eine andere als die deutsche Nationalitäteneintragung gewählt worden war. Das galt nach der Rechtsprechung der Berufungsinstanz (OVG NRW) selbst in Fällen, in denen gar keine Wahlfreiheit bestand, etwa weil beide Elternteile des Aufnahmebewerbers nicht als deutsche Volkszugehörige galten und entsprechend nicht als Deutsche in dessen Geburtsurkunde eingetragen waren.


In Anwendung der vom BVerwG aufgestellten Maßstäbe hat das Bundesverwaltungsamt sodann offenbar ganz mehrheitlich alle Anträge abgelehnt, falls der Aufnahmebewerber in amtlichen Papieren des Herkunftslandes (Inlandspass, Geburtsurkunden der Kinder, Heiratsurkunde) ursprünglich mit einer anderen als der deutschen Nationalität eingetragen war.


Da diese Entscheidungspraxis politisch nicht gewünscht war, hat der Gesetzgeber nunmehr reagiert. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 26.9.2023, BT-Drucksache 20/8537 sollte durch eine Änderung des BVFG eine Rückkehr zur früheren Entscheidungspraxis ermöglicht werden. Die Gesetzesbegründung spricht ausdrücklich davon, dass „eine rein chronologische Prüfung der Nationalitäteneintragungen ausreichend sein soll“.


Die Auswirkungen sind wie folgt:


  • Eine Änderung des Volkstumsbekenntnisses wird grundsätzlich anerkannt.
  • Anerkannt werden ebenfalls ernsthafte Bemühungen zur Änderung der Nationalitätenerklärung.


Der zweite Punkt dürfte vor allem für Spätaussiedlerbewerber aus Kasachstan relevant sein. Da dort eine Änderung der Nationalitäteneintragung im Inlandspass nicht immer möglich ist, muss der Aufnahmebewerber ggf. nachweisen, dass er diese Änderung schriftlich beantragt hat und die Passbehörde diesen Antrag abgelehnt hat. Für den Bereich der Ukraine, wo die Nationalität bereits seit ihrer Unabhängigkeit nicht mehr in amtlichen Papieren eingetragen wird, dürfte es ausreichen, deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 nachzuweisen. Für den Bereich der Russischen Föderation ist es notwendig, die deutsche Nationalität in Geburtsurkunden der Kinder und in der Heiratsurkunde einzutragen.  Bei ledigen und kinderlosen Antragstellern ist das B1-Zertifikat vorzulegen.


II. Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet bei deutschstämmigen Kriegsflüchtlingen


Spezifisch mit Blick auf deutschstämmige Flüchtlinge aus der Ukraine kann das Bundesministerium des Innern nunmehr per Rechtsverordnung eine Wohnsitzfiktion festlegen. Das bedeutet, dass Flüchtlinge aus der Ukraine für einen bestimmten Zeitraum so behandelt werden sollen, als ob sie sich noch in der Ukraine aufhalten würden. Das hätte erhebliche Auswirkungen dafür, bis wann nach der Flucht noch ein Bekenntnis zur deutschen Volkszugehörigkeit durch das Zertifikat B1 abgegeben werden kann. Nach der bisherigen Rechtslage musste dieser Nachweis prinzipiell vor der der Begründung eines ständigen Wohnsitzes in Deutschland erfolgen. Nach der Praxis des Bundesverwaltungsamtes war das B1-Zertifikat binnen 6 Monaten nach der Flucht vorzulegen.


Für welchen Zeitraum die Wohnsitzfiktion gelten wird, bleibt noch abzuwarten.


Die Änderung des BVFG vom 23.12.2023 führt zu einem Wiederaufgreifensanspruch in Fällen, in denen  Aufnahmebewerber vom Bundesverwaltungsamt bestandskräftig wegen Verneinung eines ernsthaften Bekenntnisses zur deutschen Volkszugehörigkeit abgelehnt wurden. In den Ukraine-Fällen muss insoweit zunächst die Rechtsverordnung des Bundesinnenministeriums abgewartet werden.